A GIRL AND THE CITY

Posted on 0 Comments5min read0 views

Es ist immer wieder schön, durch diese Stadt zu schlendern. Innsbruck hat seinen ganz eigenen Charme. Auch wenn die Stadt nicht unbedingt als Metropole bezeichnet werden kann, hat sie doch etwas besonderes. Ich wohne jedenfalls gerne hier. Auch wenn darin ein kleines bisschen Selbstkasteiung steckt. Denn das Leben in Tirol ist nicht ganz einfach. Zumindest, wenn man sehr kommunikativ ist und dazu auch noch aus Deutschland kommt.

Das internationale Flair dieser Stadt bringen die vielen Touristen mit. Die Einheimischen selbst würden das alleine nicht schaffen. Weder mit ihrer Mentalität, noch ihrem Charme. Ich meine das nicht böse. Aber der Tiroler an sich ist einfach etwas eigen. Ein bisschen patriotisch. Und meist nur auf den ersten Blick so nett wie es der Hochglanzprospekt dem Touristen zu suggerieren vermag. “Bist a Tiroler, bist a Mensch”. Das sagt eigentlich schon alles aus. und dem muss auch nichts mehr hinzugefügt werden. Wehe dem, der etwas dagegen einzuwenden hat. Der Tiroler ist nämlich ausgesprochen gut geschult in Scheinheiligkeit. Gepaart mit einer gesunden Portion Arroganz. Die vom Einheimischen dann gerne dem Deutschen unterstellt wird. Leider verstehen Urlauber den Tiroler nicht als das, was er im Kern gut versteckt. Oder sie wollen es nicht verstehen. Urlauber finden den Tiroler urig und nett. Niemand würde dem freundlichen Hotelier seines Vertrauens Heuchelei unterstellen. Im Gegenteil. Gut fürs Geschäft bleibt das gegenseitige gewollte Missverständnis allemal.

Der Tiroler bezeichnet die deutschen Gäste vorzugsweise mit einem peitschenden “Dia Daitschn”, ab und an durchaus immer noch geschmückt mit dem etwas gehässigen Zusatztitel “Piefke”. Und dann lacht er. Steht man als deutsche Beigabe zufällig unbemerkt in einer lustigen Tiroler Runde und macht mit einem dezenten Räuspern auf sich aufmerksam, wird der Tiroler gerne etwas rot, lacht seinen eigentlichen Fauxpas weg und untermalt die etwas unglückliche Situation dann mit einem “Naaaaah, lei Spass. Miar megn dia Daitschn.”

Ich weiss. Deren Geld. Als Tourist. Und deren Aufenthalt versehen mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum. Für die Zeit deren Aufenthalts durchaus geduldet. Aber keinesfalls zu lange.

Der Deutsche, der gerne nach Tirol reist, weil er die entzückende Mentalität der urigen Einwohner so schätzt, wird gerne ausgelacht, kaum dreht er dem netten Einheimischen den Rücken zu. Das merkt er nur nicht. Darin ist der Tiroler nämlich gut. Und so kommt der “depperte Piefke” jedes Jahr aufs neue in das schöne Tirol, um Urlaub in idyllischer Umgebung bei den so überaus netten Tirolern zu machen und sich das Geld aus der Tasche ziehen zu lassen. Ich muss dem Tiroler recht geben. Der Deutsche ist wirklich blöd. Aber das lässt sich nur schwer vermitteln. Weswegen sich jedes Jahr tausende deutsche Urlauber erneut in freudiger Erwartung auf die Reise machen. Mit dem unerschrockenen Ziel “gemütlicher Urlaub gepaart mit uriger Geselligkeit und rauem Charme”. Er bekommt allerdings falsche Freundlichkeit gepaart mit höflich geheuchelter Zuvorkommenheit ohne es zu merken.

Noch etwas schwieriger wird es, wenn man hier wohnt. Als Zuagroaster braucht man einen verdammt langen Atem, um mit den Einheimischen warm zu werden. Sie machen es einem damit auch alles andere als leicht. Ein Tiroler wirkt auf den ersten Blick immer charmant, freundlich, etwas grob aber nicht unsympathisch. Weswegen die Touristen so gerne wiederkommen. Aber wer hier lebt, merkt schnell, dass der Tiroler sehr arrogant und abweisend gegenüber Nicht-Tirolern sein kann.

Der Einheimische hat ein ganz besonderes Talent – nämlich Aussenstehenden das Gefühl zu geben, sie seien sowohl willkommen als auch ziemlich blöd. Komische Mischung, ich weiss. Aber genau so funktioniert das hier. Der Tiroler erklärt dem doofen Deutschen gerne Dinge. Weil er es besser weiss. Zumindest denkt er das. Der Tiroler belächelt den Deutschen auch gerne. Oft hinter seinem Rücken, manchmal aber auch mitten ins Gesicht. Für Neuankömmlinge kann das dann schon mal zur Herausforderung werden. Oder irritierend wirken.

Egal, wie kommunikativ und weltoffen man auch noch so sein mag. Bei einem Tiroler weisst du nie, woran du bist. Nie. Du läufst ständig gegen eine Mauer. Vor allem, wenn du leichten Sarkasmus oder Ironie ins Gespräch einfliessen lässt. Das versteht man hier nicht. Und nicht selten ist der Gesprächspartner sofort beleidigt. Und so fängt man gefühlt jedesmal von vorne an, wenn du jemanden triffst, auch wenn du ihn schon einige Zeit kennst. Erst nach Jahren kannst du eventuell ein bisschen davon ausgehen, dass du einen Freund gefunden hast, wenn du mit einem Tiroler warm geworden bist. Wenn. Und selbst dann fühlt es sich nicht danach an. Der Flow fehlt einfach. Und bis man vielleicht den Schlüssel zum Herzen eines Einheimischen gefunden hat, hat man seine Mission entnervt aufgegeben oder ist enttäuscht weitergezogen. Einfach, weil man es irgendwann schlicht Leid ist und keine Lust mehr hat, sich ständig blöde Sprüche anhören zu müssen. Denn wenn der Tiroler etwas wirklich nicht kann, dann ist es lustig sein. Witze funktionieren hier nur auf Kosten anderer. Und wenn man einem Einheimischen mit Ironie oder Sarkasmus kontert, steht kurz die Welt still. Übrigens immer. Das versteht der Einheimische nämlich nicht. Und fühlt sich sofort persönlich angegriffen. Übrigens auch immer.

Kleiner Tipp für Touristen: macht der Tiroler einen Witz oder einen Spass, wie er es selbst gerne nennt, ist es am besten, man lacht mit. Dann läuft es rund. Dinge zu hinterfragen ist nicht gewünscht. Das beleidigt die Kompetenz des Einheimischen bis ins Mark. Und das will der Tiroler nicht.

Tirol ist ein Land in dem man so gut wie keinen wirklichen Anschluss findet. Und es ist für einen Aussenstehenden schlicht unmöglich, daran etwas zu ändern. Egal wie sehr man sich bemüht. Mit einem Tiroler bleibt man immer auf Distanz. Hast du einmal einen Tiroler zum Freund, dann bleibt er dir auch nicht so treu, wie man es von Freundschaften normalerweise kennt. Es wird immer eine unsichtbare Mauer bleiben. Und bist du anderer Meinung, wirst du merken, dass die Freundschaft mit einem Tiroler nicht auf festem Fundament gebaut ist. Wenn man jung ist fällt das nicht so auf. Wenn man älter wird merkt man das ganz schön. Aber man wird entspannter. Und nimmt die Dinge einfach so hin. Nutzt ja nichts. Ändern lässt es sich sowieso nicht.

Wieso ich hier lebe? Weil man manchmal eben einfach so lebt, wo man lebt. Ohne viel Aufhebens. Ich mag Innsbruck. Sehr sogar. Auch wenn es gerade nicht danach klingt. Aber ich finde man muss auch mal was sagen dürfen ohne direkt alles infrage stellen zu müssen. Das gehört zu einer guten Freundschaft einfach dazu. Ich werde hier immer die “Daitsche” sein. Und es werden immer Witze auf Kosten meiner Person gemacht werden. Und ich werde mich in der Stadt, egal wo ich hingehe, immer als Touristin wiederfinden. Aber das ist auch okay. Ich bin nun einmal eine ausgewanderte Deutsche, die nicht in ihrem Heimatland wohnt. Mir wäre das eigentlich piepegal, aber der Einheimische möchte mir das gerne immer mal wieder verdeutlichen. Nicht dass ich das sonst vielleicht noch vergesse. Okay.. Akzeptiert. Es lebt sich nämlich dennoch total schön hier. Und auch wenn es anders rüberkommt. Ich mag meine selbstgewählte Heimat. Und bleibe einfach die ewige Touristin. Man gewöhnt sich an alles.

What do you think?

Your email address will not be published. Required fields are marked *

No Comments Yet.

Innsbruck

GDPR Cookie Consent with Real Cookie Banner