STRANGE THINGS
Der 24. Februar 2022. Ein Tag, der wohl in die Geschichte eingehen wird. Ich muss gestehen, ich stehe das erste mal seit langem vor einer Situation, die mich vollkommen verstummen lässt. Ich fühle mich wie paralysiert. Unfähig zu denken, zu handeln und unfähig, die Lage überhaupt einschätzen geschweige denn einordnen zu können. Ich bin geschockt. Von einem Krieg, der fast vor unserer Haustüre stattfindet. Ich sehe Bilder im Minutentakt, die mich sprachlos machen.
Ich bin es nicht gewohnt über einen Krieg zu schreiben. Ich weiss deswegen auch gar nicht so wirklich, wo genau ich da anfangen soll. Ich sehe den ganzen Tag Nachrichten die mich mit einer Realität konfrontieren, die ich nicht fassen kann.
Wir haben das Jahr 2022, ich sehe Bilder eines Krieges in Europa – und ich verstehe gerade gar nichts.
Es ist ja nicht so dass ich nicht froh gewesen wäre, nach nunmehr zwei Jahren von den Medien über etwas anderes als diesem Dauerthema CORONA informiert zu werden. Wenn ich allerdings gewusst hätte, dass das Thema, das Corona mal ablösen würde, Krieg in Europa sein würde, ich hätte beim gefühlt millionsten Corona-Update nicht genervt meine Augen verdreht. Natürlich ist auch Corona nach wie vor kein schönes Thema aber gerade definitiv das kleinere Übel. Wenn man das überhaupt so sagen kann.
Nein, kann man nicht.
Aber was soll man denn sagen? Ich bin mental gerade so “geschockstarrt” und entsprechend sprachlos dass ich nichts zu sagen habe. Und doch dringend über all das reden muss.
WAS FÜR EIN WAHNSINN
Menschen sitzen tagelang in Kellern, Versuchen zu fliehen. Häuser sind zerbombt. Ganze Strassenzüge ausradiert. Im wahrsten Sinne pulverisiert. Europas grösstes Atomkraftwerk wurde beschossen. Menschen werden getötet. Auf der Flucht. Und überall. Einfach so. Ich sehe Bilder, die ich so eigentlich eher aus Hollywood-Endzeit-Blockbuster-Filmen kenne. Stündlich dramatisiert sich die Lage. Wie soll ich solche Nachrichten denn bitte finden? Was kann man dazu noch sagen.
Ich möchte helfen und weiss eigentlich gar nicht wie. Bin wie erstarrt. Einen Karton zu packen wie so viele andere es schon gemacht haben – damit er dann am Ende als Sperrmüll an irgendeiner Grenze zur Ukraine im Dreck endet macht Wohl keinen Sinn. Dort wo diese Dinge am allermeisten gebraucht werden würde kommt man gerade auch schwer hin. Es ist natürlich nett wenn geholfen wird. Aber die meisten Menschen brauchen wohl gerade eher sichere Fluchtkorridore und medizinische Versorgung, Wasser, Strom und eine Heizung statt drei neue T-Shirts und einen Stoffhasen. Aber natürlich sind auch solche Hilfslieferungen super wichtig und gut gemeint. Aber die meisten der Menschen die diesem Kriegszustand entfliehen brauchen wohl eher ein Dach über dem Kopf. Und das kann einfach nicht jeder anbieten. Ich auch nicht. Ich würde gerne Kekse backen und warme Suppe kochen, aber die kann ich wohl kaum dahin bringen, wo sie tatsächlich gebraucht werden würden. Nämlich in die Keller der Häuser und Wohnungen, in die U-Bahnstationen oder in das kleine Dorf, das keinen Strom und kein Wasser mehr hat. Ich würde gerne alle Tiere retten, die sich verängstigt und womöglich sogar verletzt plötzlich alleine ohne ihre Familie wiederfinden. Ohne zu wissen, was überhaupt passiert ist. Mich zerreisst es innerlich fast, wenn ich die Bilder auf CNN verfolge.
Ich hoffe, dieser kleine verrückte Mann mit seiner akuten Grössenwahnitis, der gerade bis an die Zähne bewaffnet völlig unverhältnismässig einfach so ein Nachbarland angreifen und dort mit Bomben schmeissen lässt, denkt ganz kurz drüber nach, dass er selbst auch auf dieser Erde lebt, Familie hat und unter Umständen sogar in unmittelbarer Reichweite einer Nuklearen Katastrophe weilt wenn er zu all dem Leid in seiner seltsamen Sicht der Dinge auch noch ein paar Kernkraftwerke zerstört. Und aus welchem Grund auch immer einen 3. Weltkrieg heraufbeschwört. Ich hoffe er macht sich zwischendurch einfach mal bewusst, dass er selbst davon betroffen sein wird, wenn er so weitermacht. Aber wahrscheinlich merkt er es nicht einmal, wenn ihm eine dicke radioaktive Wolke um die Nase weht. Hat er seiner Frau eigentlich davon erzählt, was er gerade so beruflich macht? Seinen Kindern? Ich gehe davon aus, dass die wenig begeistert wären von Papas beruflichen Ambitionen. Aber wer weiss.
Es ist nicht lustig.
Die Coronapandemie erscheint momentan wie ein laues Lüftchen in der Medienlandschaft, wenn man die aktuellen Bilder verfolgt, die uns aus der Ukraine gezeigt werden. Wer hätte das gedacht.
MACHT UM JEDEN PREIS. WTF!
Ein einziger Mensch hat die Macht, die halbe Welt ins Chaos zu stürzen!? Das kann doch nicht euer Ernst sein! Mensch Menschheit! Und doch ist es so. Man hat das Gefühl, das niemand etwas dagegen tun kann. Weil ein Einzelner gerade machthungrig dem Rest der Welt sein ganz persönliches völlig abgedrehtes Weltbild aufzwingen will. Und so wie es aussieht ist er damit derzeit sogar erfolgreich. Keine Ahnung, was in manchen Köpfen vorgeht. Aber wie wir in den letzten zwei Jahren Pandemie bereits nur zu gut erleben durften, gibt es tatsächlich seltsame und krude Weltanschauungsmodelle und ebenso exotische Verschwörungstheorien. Beunruhigend. Zumal ich immer noch keinen blassen Schimmer habe, wieso Herr Putin gerade einfach mal so ins Nachbarland einmarschieren lässt. Was hat er vor? Und was denkt er denn, was der Rest der Welt von dieser Idee hält? Gut, es gibt immer Patrioten, die Dinge toll finden, bei denen wir Nichtpatrioten nur den Kopf schütteln können. Das war schon immer so. Aber wir haben das Jahr 2022, nicht 1026. Oder wann auch immer in der Geschichte Dinge so gehandhabt wurden. Als hätte der zweite Weltkrieg nicht gereicht. Scheint jedenfalls nicht so zu sein. Sonst gäbe es ja wohl keine Kriege mehr. Weder hier in Europa noch sonstwo. Aber der Mensch kapiert es anscheinend nicht. Macht macht gierig. Geld auch. Macht und Geld zusammen macht wahnsinnig. Irrational. Und abgehoben. Diese Reichtums-Blase verblendet. Anscheinend. Und zwar so sehr, dass manchmal Entscheidungen getroffen werden, die nicht mehr zu erklären sind.
Krieg ist nie gut. Weder in Syrien noch in Afghanistan noch sonstwo. Allerdings haben uns diese Kriege hier nie so sehr berührt. Was schlimm genug ist und nicht gerade für uns spricht. Wenn Krieg weit weg ist, fühlt es sich an, als würde er nur im Fernsehen stattfinden. Fatal. Er ist uns vielleicht nicht egal, aber er berührt uns nicht so richtig. Weil er eben weit weg ist. Man kann ihn nicht sehen. Nicht hören. Und ist kein Teil davon. Doch ganz unvermittelt und plötzlich ist da ein Krieg direkt vor unserer Haustür. Und ganz plötzlich wird Krieg doch greifbar und spürbar.
SOLIDARITÄT ÜBERALL
Solidarisch sind wir alle. Das ist gut. Es fühlt sich an als würde die ganze Welt plötzlich eng zusammenrücken. Aber wieso war das vorher nicht auch so? Wieso braucht es für solche Bewegungen immer erst den schlimmstmöglichen Fall?
Der Mensch kapiert es wahrscheinlich einfach nicht anders. Selbst eine weltweite Pandemie hat unserem Streben nach Masslosigkeit und das leidige Thema Wirtschaftswachstum nicht zum Erliegen gebracht. Im Gegenteil. Die Profiteure der Katastrophen dieser Welt reiben sich die Hände und freuen sich wahrscheinlich über diese katastrophale Krise. Kommt einem zumindest so vor. Die Börsen müssten doch eigentlich langsam aus allen Nähten platzen vor lauter Völlerei. Man möchte solch ein Bild nicht in seinem eigenen Kopfkinoprogramm haben, aber es wanzt sich ungefragt in die Festplatte. Zumindest bei mir. Ich ekel mich fast schon vor all den Investoren, geldgierigen Anlegern, Goldgräbern des Leids und Elends der Welt. Die Pandemie hat vieles davon aufgedeckt aber nichts besser gemacht. Im Gegenteil. Der Krieg deckt noch mehr davon auf. Aber selbst dieses katastrophale Ereignis wird wahrscheinlich nichts ändern. An den Ambitionen all dieser Reichen und Mächtigen.
Der Weizenpreis steigt. Der Ölpreis steigt. Die Nachrichten haben nichts besseres zu tun, als uns diese Meldungen zusätzlich zu all dem Leid zu verkünden. Der Markt wackelt, die Aktionäre bibbern und die Oligarchen sollten eigentlich sanktioniert werden. Vielleicht. Wenn man denn könnte oder besser gesagt wollte. Will man aber nicht so richtig. Denn Geld ist wichtiger.
Mit diesen Entscheidungen wartet man also lieber so lange, bis auch der letzte Milliardär sein unrechtmässig erworbenes Vermögen nach Timbuktu transferiert hat. Weil das besser ist. Man will sich künftige Geschäfte schliesslich nicht verbauen. Man hat sie eben gern, diese Reichen und Schönen und Mächtigen. Als Kundschaft. Und weil man selbst wahrscheinlich nicht nur von all dem profitieren kann sondern auch selbst so sein möchte. Da wäre es ja blöd, wenn diese Kundschaft künftig nicht mehr kaufen würde. Wirtschaftswachstum ist immer allem vorzuziehen. Auf Kosten vieler, zu Gunsten weniger. Am Ende muss die Bilanz stimmen. Egal was es kostet. So ist das. So hat die Menschheit sich das Leben selbst schön eingerichtet. Zum Kotzen.
Und ja, solange unter Bildern von Krieg und Leid gleichzeitig Börsennachrichten durchs Fernsehbild laufen, solange haben wir wieder mal nichts kapiert. Wer Bilder von getöteten Menschen mit Wirtschaftsinteressen vermischt und statt menschlich zu handeln argumentiert die Wirtschaft nicht schädigen zu können und langfristige Wirtschaftsbeziehungen nicht gefährden will, dem ist auch sonst nicht mehr zu helfen. Ganz einfach.
KRIEG MACHT REICHTUM
Wir reiben uns die Augen ob der Bilder im Fernsehen, die Investoren und Aktionäre reiben sich die Hände weil sie ihr Vermögen weiter vermehren können. Krieg macht Menschen auch reich. Man mag es kaum glauben.
Wir finanzieren nebenbei derweil brav den Krieg mit, denn die Zahlungen für Gas, Öl und Kohle laufen natürlich weiter. Wegen der Versorgungspflicht. Putin gefällt das.
Solidarität ist toll. Mit Schildern auf einem Platz zu stehen ist natürlich auch toll. Aber die Solidarität hört wahrscheinlich an der eigenen Haustüre ganz schnell wieder auf, wenn es bedeutet, dass wir selbst in unserem Alltag unnötigen Energieverbrauch einsparen sollten.
Ich denke, niemand kann Putin zur Vernunft bringen. Ein mächtiger Mann der danach strebt, noch mächtiger zu werden, kann nicht klein beigeben. Egal wie sehr wir uns das alles auch wünschen. Schwäche zu zeigen scheint für ihn wohl keine Option zu sein. Die Situation ist zu kompliziert. Und der Westen ist ein bisschen zu doof zu verstehen, das es nie gut ist, sich vertraglich von anderen komplett abhängig zu machen. Das ist übrigens nie gut.
Das Streben nach Geld und Macht und Reichtum scheint das einzige zu sein, was uns Menschen als Ziel richtig und wichtig erscheint. So weit ist es also gekommen.
Dabei war der ursprüngliche Plan wohl ein anderer. Wer religiös ist weiss wovon ich spreche. Alles begann in einem sonnigen Park mit zwei nackigen Hippies. Aber selbst den beiden war das Paradies offensichtlich schon nicht genug.
Wir können Dinge nicht besser machen wenn wir uns alle als Individuum weiterhin so wichtig nehmen. Wir können keine Problemen lösen die uns alle betreffen ohne Empathie für andere. Wir können nicht miteinander in Frieden leben wenn der Einzelne immer ein wenig besser sein will als alle anderen. Wir können nicht alle gleichberechtigt sein wenn es Menschen gibt die mehr sein wollen.
Solange alle nur von Wachstum reden und an ewiges Wachstum glauben werden wir es nie kapieren. Wachstum in der Natur hat immer ein Ende. Um danach wieder neu wachsen zu können.
Solange wir das nicht verstehen….
Aber was weiss ich schon.
What do you think?